Abgegriffene Buchseiten bringen ihn auf ein phänomenales Gesetz – Frank Benford

Simon Newcomb
Er ist der Entdecker und -in diesem Fall- auch der Ideengeber. 1881 blättert er so aufmerksam ein Buch durch, dass ihm ein seltsames Phänomen auffällt. Simon Newcomb (*1835-03-12 Wallace +  1909-07-11 Washington, D.C.), kanadischer Astronom und Mathematiker. Ihm fällt beim Durchblättern von Logarithmentafeln auf, dass einige Seiten stärker abgenutzt sind als andere. Es sind jene Seiten, in denen Tabellen mit Ziffern vorkommen, die mit der Eins beginnen. Sein Aufsatz erregt kaum Aufmerksamkeit. Er erklärt die Entdeckung kaum, beweist sie nicht. Seine Entdeckung „verstaubt“ ein wenig, findet (noch) keinen praktischen Nutzen.

Frank Benford
Viele Jahre später geht ein anderer in eine Bibliothek. Ihm fällt es auch auf, Frank Benford, Physiker. Er schaut nochmal genau hin, entwickelt die Idee weiter und setzt sie um. Am Ende sind es 20 229 Datensätze, die er überprüft. 1938 veröffentlichte Benford seine Entdeckung und eine Formel. Benford nennt es das Gesetz der anomalen Zahlen, später „Benfords Gesetz“ genannt. Es bezaubert Zahlenforscher bis heute. Benfords Gesetz trifft nicht nur bei Flusslängen, sondern auch bei Auflagen von Zeitungen, Einwohnerzahlen von Städten, Halbwertszeiten radioaktiver Isotope usw. zu.

Was besagt Benfords Gesetz?
Von 100 Zahlen, die uns im Alltag begegnen, beginnen im Schnitt 30 mit einer Eins, 18 mit einer Zwei, nur 13 mit einer Drei sowie nur ganze fünf mit einer Neun. Und dabei ist es so ziemlich egal, um welche Zahlen es sich handelt – ob um Einwohnerzahlen, Aktienkurse oder den Zahlen-Mix in Zeitungen.

Du willst es testen?
Schlage eine beliebige Seite einer beliebigen Zeitung auf und notiere dann in irgendeinem Artikel jeweils die erste Ziffer aller dort auftauchenden Zahlen. Die Eins wird stark überrepräsentiert sein. Das Benford-Gesetz ist inzwischen auch mathematisch bewiesen. Es hat enorme Auswirkungen, da ihm große Datensätze, zum Beispiel auch Finanzdaten und Wahlergebnisse, gehorchen. Die Einwohnerzahlen der 3141 US-Bezirke, die Größe der Dateien auf einer beliebigen Computerfestplatte, die Anzahl der Aktien, die täglich an der New Yorker Börse umgesetzt werden…

Wozu braucht das Irgendwer? Ist da etwas verdächtig?
Mit dem Benford-Gesetz lassen sich Daten auf Manipulation prüfen. Das nutzen heutzutage auch Finanzämter und Wirtschaftsprüfer. Finanzdaten, die beim Benford-Check durchfallen, sind verdächtig. Es konnte damit zum Beispiel bewiesen werden, dass manche Entwicklungsländer in der Vergangenheit systematisch ihre Wirtschaftsdaten gefälscht haben. Ebenso können Wahlergebnisse auf Wahlfälschung untersucht werden. Echte Daten sind Benford-artig, gefälschte sind es in der Regel nicht. Leute, die an echten Zahlen herumfummeln, um sich Vorteile zu verschaffen, versuchen ihre Fälschungen in der Mitte zu verstecken, mehr als bei den Anfangsziffern Fünf und Sechs. Das bringt das Gefüge der Ziffern insgesamt durcheinander. Wer das Gesetz kennt, dem fällt es auf.

Mark Nigrini analysiert Steuererklärungen.
Wie sieht es ansonsten mit dem praktischen Nutzen der Entdeckung aus? Der US-Wissenschaftler Mark Nigrini entdeckte, daß auch die Zahlen in Steuererklärungen dem seltsamen Gesetz folgen. Jedenfalls, wenn sie nicht gefälscht sind. Er analysiert Steuererklärungen. Tatsächlich: Fast jeder dritte Betrag fing mit einer Eins an. Nigrini wendet einen eleganten Trick an, Betrügern auf die Schliche zu kommen: Wer betrügt, denkt sich irgendwelche Zahlen aus, und für ausgedachte Zahlen gilt Benfords Gesetz nicht. Nigrini entwickelt eine Software, die Abweichungen von Benfords Gesetz aufspürt.

Heute spricht man -zu Ehren des Erstentdeckers- auch vom Newcomb-Benfords Law.

2022-08-27
Quellen: Spektrum.de /kolumne/benfordsches-gesetz-die-uebermaechtige-eins, Autorin: Manon Bischoff, // Deutschlandfunk: Christian Hesse im Gespräch mit Ralf Krauter, 15.03.2019

Weiterführende Empfehlungen:
Benfords Gesetz über führende Ziffern…, Norbert Hungerbuhler, Fribourg, Aufsatz für die ETH Zürich
Warum 1 so oft vorne steht, Hans Humenberger, Universität Wien, 23 Feb 2011: Tag der Mathematik – Innsbruck