Mit diesen Gaben wird er erfolgreich- Hugo Kirchberg

Was ein geniales Produkt auszeichnet, seine Vision

Hugo Kirchberg (1908-1999) arbeitet in Eisenach in einer kleinen Firma für Bürobedarf. 1934 bewirbt er sich unter anderem bei der P. Beiersdorf & Co. AG. Er sieht großes Potenzial für ein einträgliches Geschäft mit technischen Klebebändern. So in etwa lauten seine Worte. Er hat eine Vision. Er glaubt an die „unbegrenzten Möglichkeiten der Selbstklebe-Technologie“. Darüber würde er gern in einem persönlichen Gespräch reden, schreibt er. Große Chancen sehen sie nicht, die Herren von Beiersdorf. Doch sie schreiben aus Hamburg freundlich zurück.

Die Bewerbung 
„Trotzdem hätten wir uns gern mit Ihnen unterhalten. Wir stellen Ihnen anheim, sich gelegentlich zu uns zu bemühen.“ Kirchberg reist erfreut nach Hamburg, wo er seine Ideen vorstellt und sich präsentiert. Im persönlichen Gespräch überzeugt er die Geschäftsführung. Er bekommt eine verantwortungsvolle Aufgabe. Kirchberg soll den Vertrieb für technische Klebebänder organisieren. Der Job wird ihm auf Probe zugeteilt. 1935 verzeichnet er ein respektables Ergebnis. Das Unternehmen bringt ein Produkt aus transparenter Acetat-Folie heraus, unter der Bezeichnung „Beiersdorfs-Kautschuk-Klebefilm“.

Vorgänger des späteren tesafilm® 1936
1936. Es ist die Zeit, in der der industriellen Herstellung von Nahrungsmitteln und ihrer Aufbewahrung immer mehr Aufmerksamkeit zuteil wird. Der K-Klebefilm wird für den Verschluss von Marmeladengläsern, für Konservendosen für Brot und Kekse oder für Kartonverpackungen für Trockenfrüchte angepriesen. Als dieser Vorgänger des späteren tesafilm® auf den Markt kommt, beweist Kirchberg, dass er die Bedürfnisse der potenziellen Kunden gut versteht!

Wann ist ein Produkt wirklich gut?
Mit seiner verkäuferischen Gabe bemerkt Kirchberg schnell, dass dieses nahezu glasklare Folien-Klebeband für sich allein kaum verkäuflich ist. Eine Herausforderung, der er sich umgehend stellt. Es fehlt an einer kombinierten Abroll-Abtrenn-Vorrichtung. Denn schon Mitte der 30er-Jahre gilt, was auch heute noch zählt: Ein Produkt ist erst dann wirklich gut, wenn der Anwender es schnell und sauber verarbeiten kann.

Das Patent
So wird aus dem aufmerksamen Kaufmann nebenbei ein Erfinder. Er malt einen „Behälter für mit Trockenklebstoff versehene Klebestreifenrollen“ auf. Lange Zeit steht so ein „Ding“ in modifizierter Form auf unzähligen Schreibtischen dieser Welt! Kirchberg meldet seine Erfindung beim Patentamt erfolgreich an. 1935 hält er seine erste Urkunde in der Hand! Sein Patent trägt die Nummer 661115. Hugo Kirchberg bekommt es vom Deutschen Reichspatentamt.

Sprachunterricht
Die Geschäftsleitung überzeugt er damit nicht so recht. Sie behält ihr Misstrauen und ihre Distanz ihm gegenüber. Doch Kirchberg wäre nicht er selbst, wenn er darauf keine Antwort fände. Er beginnt, das eigene Auftreten zu perfektionieren. Er will seinen Thüringer Dialekt ablegen. Deshalb beginnt er, an der bekannten Hamburger Grone-Schule Sprachunterricht zu nehmen. Er erzählt später von sich: „Am Wochenende bin ich immer aufs Land gefahren und habe auf stundenlangen einsamen Märschen laut vor mich hindeklamiert“.

Kirchberg bleibt hartnäckig
Kirchberg sucht für die Klebebänder nach einem Namen, den die Menschen sich schnell einprägen können und den sie nicht so schnell vergessen sollen. Er findet bei der Rechtsabteilung unter den auf Vorrat geschützten Bezeichnungen die Marke „Tesa“. „Unmöglich, hiermit hatten wir schon einmal vor 30 Jahren Pech“. Mit diesen Worten rät der Vorstand des Unternehmens ihm davon ab. Begründung: Eine Zahnpastatube, entwickelt als Tesa-Tube setzte sich nicht durch. Doch gefällt es scheinbar umso mehr. Er bleibt bei seinem Vorhaben und bittet hartnäckig weiter. So wird 1936 Tesa als Marke für Selbstklebe-Produkte eingeführt.

Der Tesa-Klebefilm wir 1941 in Tesafilm umbenannt. Er entwickelt sich in Haushalten und im Business-Bereich zu einem außerordentlichen Erfolgsprodukt. Der erste Messeauftritt in Leipzig folgt. Das Unternehmen erhält eine sensationelle Nachfrage. Schon 1939 wird Tesa nahezu unerreichbar für die gesamte deutsche Konkurrenz. 

Zäsur und Schicksalsschlag
Der Zweite Weltkrieg trifft Hugo Kirchberg unerwartet hart. Er wird zum Afrika-Corps der Deutschen Wehrmacht einberufen. Später folgt für ihn die amerikanische Kriegsgefangenschaft. Erst Ostern 1946 kommt der Befreiungsschlag. Er darf nach Hause und kehrt ins Unternehmen zurück. Wieder bleibt er stark. Fast wie zwölf Jahre zuvor, beginnt er von vorn. Zusätzlich trifft ihn ein ein schlimmes privates Schicksal: Sein Sohn, 1947 geboren, stirbt im Babyalter von nur sechs Monaten.

Kirchbergs außerordentliches Talent
Die Währungsreform 1948 ist ihm zuträglich. Kirchberg beweist außerordentliches Talent. Er trifft schnelle und teilweise unkonventionelle Entscheidungen und bringt so das Geschäft rasch wieder voran. Doch die große Nachfrage bringt sofort neue Herausforderungen mit sich. Zudem setzt ein Rohstoffmangel Anfang der 50er-Jahre ein. Das alles fürhrt dazu, dass die Fertigung der Produkte in Quantität und Qualität zeitweise nachlässt. Es gibt schlechtere Chargen, die entsorgt werden müssen. Sie werden in einem alten Kesselhaus unter dem großen Schornstein verbrannt.

Welche Kunden für ihn infrage kommen
Kirchberg wird als Perfektionist von seinen Mitarbeitern sowohl geschätzt als auch gefürchtet. Er nutzt die Situation und hält eine außergewöhnliche Rede am Ort des Geschehens. Er sagt: „Peilen Sie jeden Fabrikschornstein an. Unter jedem Schornstein wird Tesa gebraucht“. Wieder spricht er deutlich über seine Vision. Sein Credo ist, dass zukünftig sämtliche Industriebranchen als Kunden infrage kommen.

Ruhestand
Kirchberg behält recht: Als der Prokurist und Leiter der Hauptabteilung Tesa 1973 in den Ruhestand geht, werden in drei deutschen Werken und in diversen ausländischen Produktionsstätten mehr als 600 verschiedene Tesa-Klebebänder hergestellt.

2018-09-01 Timea Hiller, Quellen: Welt, Digital, Eine filmreife Geschichte, 14.06.2009 Gunnar Von Der Geest, Homepage Tesa, Version vom 16.06.2018, Über uns